Von der Mutter des Mondes und dem Tag der „offenen Türen“.
Was es mit dieser „Mondmutter (Umm Gammar)“ auf sich hatte erklärte sich schnell (siehe unten). Mit den offenen Türen ist das nicht ganz so einfach. Wer an geheimnisvolle Zugänge zu versunkenen Schiffen denkt, liegt leider falsch. Es handelte sich schlicht um Bekleidungsmängel, die bei Tauchern offensichtlich nach langer Abwesenheit vom Festland vorkommen können. Geübte Taucherinnen erspähten sie sofort und die Türen verschlossen sich blitzartig. Es war unser letzter Tauchtag und die dahinter liegenden Geheimnisse blieben dadurch für immer verborgen.
Der Wind hatte nachgelassen, unser Boot lag vom starken Wellengang geschützt am Riff von Siyul Kebira. Wer jetzt Frühaufsteher und noch nicht satt vom Tauchen war, traf sich um 5:30 Uhr auf Deck. Ihn erwartete ein „Early Morning Dive“ an einem Riff mit reichem Bewuchs von Korallen und unzähligen Fischen. Die Langschläfer konnten nur neidisch den Berichten zuhören. War das nun „Taucherlatein“ oder die reine Wahrheit? Auf jeden Fall wurden wie immer die Muränen mit jeder Erzählung größer.
Nach dem Frühstück ging es weiter nach Umm Gammar, was soviel bedeutet wie “Mutter des Mondes” – wahrscheinlich eine Anspielung auf die mondförmige Form der Insel über dem Riff. Ein Tauchplatz, der zum
Abschied noch einmal die ganze Schönheit des Roten Meeres bot. Nach einer kurzen Schwimmstrecke gegen eine leichte Strömung erreichte man drei eng nebeneinander befindliche Korallenstöcke. Ihre Kamine reichen fast bis an die Oberfläche. In ihrem Innern schwärmten tausende von Glasfischen. Wer Glück hatte,
sah einen riesigen Steinfisch, frei schwimmende Muränen, große Zackenbarsche oder Kaiserfische und das
alles in einem wunderschönen Korallengarten. Man fühlte sich wie in einem Aquarium.
Von hier aus konnte man schon die Silhouette von Hurghada erkennen. In 90 Minuten sollten wir am Ziel sein. Aber noch war unsere Reise nicht ganz zu Ende. Eine Überraschung wartete noch auf uns: Das Wrack der El Miniya. Es ist ein Zeugnis der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Ägypten und Israel. Die El Mina war ein Minensuchboot, das im Hafen vor Anker lag, als es durch einen israelischen Bombentreffer 1970 versenkt wurde.
Sollte der Tauchgang Lust auf weitere Wracktauchgänge machen oder uns eher den Abschied erleichtern? Die Sicht war im Vergleich mit den früheren Tauchgängen schlecht. Aber was konnte man in einem Hafenbecken schon anderes erwarten. Vom Betauchen des Innern wurde abgeraten, der Einstieg durch ein Loch, das eine Rakete geschlagen hatte, war nicht ungefährlich. Zahllose Kabel hingen wirr umher. Da kam ein großer Kofferfisch gerade recht, um uns vor dem letzten Auftauchen noch einmal an die Vielfalt des Unterwasserlebens im Roten Meer zu erinnern.
Text: © Bernhard Maier Fotos: © Gunnar Olbrich