Jugendausfahrt nach Kroatien

Nun sitze ich hier an einer langen Tafel mit Blick auf das Meer. Ich bin todmüde von der letzten Nacht, in der wir 1150 km von Deizisau nach Kalebova Luka, Kroatien zurückgelegt haben. Marija, die Frau von Maik, in dessen Tauchbasis wir gestrandet sind, bereitet uns ein wundervolles, mediterranes Essen zu. Ein Duft von Cevapcici und fangfrischem Wolfsbarsch steigt mir in die Nase und zaubert mir ein kleines Lächeln ins Gesicht. Dazu trinke ich ein Glas von dem liebevoll hausgemachten Rotwein, mit seinem kräftigen Aroma von Sauerkirschen und seiner feinen Tanninstruktur, welche das Gericht perfekt abrundet. Links von mir geht die Sonne in langsamen Zügen am Horizont unter und lässt das Wasser wie ein Meer aus tausend kleinen Rubinen mir entgegen glitzern. Erschlagen von den neuen Eindrücken schwelge ich in Gedanken, als mich plötzlich ein Stich in die Brust trifft. Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken, nach dem uns André verkündet, dass wir Nicht- TGS’ler die Aufgabe haben, einen Reisebericht zu verfassen. Angstschweiß rinnt mir die Schläfe hinunter.

Ich soll schreiben! Der Mensch, dessen Deutschlehrer heute noch über die Aufsätze der vergangenen Jahre lacht. Schreiben, schreiben, was soll ich nur schreiben! In meinen Gedanken finden sich nur geflügelte Worte und mir wird klar, dass ich viel zu viele Romane gelesen habe. Also fange ich an, mit dem Beginn unseres Urlaubs.

Letzte Gepäckstücke, die in den roten Bus geladen werden, füllen die Mauer aus Taschen und Tauchrucksäcken. Wir, eine bunt gemischte Truppe aus Tauchern und Familienangehörigen, die sogenannten Nichttaucher oder auch „Neigschmeckte“ beginnen unsere Fahrt in den sonnigen Süden. Kalter Regen peitscht auf die Frontscheibe des großen Riesen der sich in schnellen Zügen über die dunkle Autobahn schlängelt. Pünktlich zum Sonnenaufgang reißt der Himmel auf und nach einem letzten Tunnelstück erstreckt sich die schillernde Adria in einer Farbenpracht von sattem Grün bis tiefen Blau, zum Greifen nahe, unter unserer Nase. Die letzten Schlaftrunkenen werden aus dem Land der Träume gerissen, oder besser gesagt geschüttelt, als wir auf den letzten Metern einen Schotterweg hinunter rasen. Ein letztes Aufheulen des roten Busses signalisiert, dass wir die Bucht erreicht haben. André, dessen Fingernägel sich vor Angst tief in das Sitzpolster des Autos gegraben haben, dankt Gott dafür, dass er den „Highway to Hell“ lebend überstanden hat. Dabei haben wir noch nicht einmal die Vollkasko ausschöpfen können. Doch für einen kurzen Augenblick scheint die Zeit still zu stehen und alles Schlechte vergessen zu lassen. Welch ein herrlicher Anblick auf das kristallklare Wasser, das eingefasst ist von steilen Hängen, an denen etliche Steinmauern wie Labyrinthe empor steigen und Olivenbäume, Büsche und einige Häuser in sich verschlingt. Mehrere kleine Boote schwappen leise vor sich hin und weiße Segelboote ziehen ihre Bahnen am Firmament.

Hier bin ich nun, direkt am Meer und die Grillen zirpen monoton ihr Tageslied. Ich schreibe und schreibe und es füllen sich Blätter über Blätter! Ich habe so viele neue Erfahrungen, Gedanken und Empfindungen in den letzten Tagen gesammelt, dass ich sie gar nicht alle aufschreiben kann. Eine Möwe zieht mit sanftem Schwingen an mir vorbei und landet glamourös auf einen Fischerboot. Fische! Ja, die habe ich auch gesehen, bei einem Schnuppertauchen mit Hans in den Tiefen des Meeres. Oder waren es doch nur drei Meter?!

Kühles Wasser umgibt meinen Körper von allen Seiten und Luftblasen bahnen sich in schlängelnden Bewegungen den Weg nach oben um mit ihres Gleichen wieder zu verschmelzen. Lichtstrahlen fallen durch die Wasseroberfläche wie durch eine Fensterscheibe und hauchen der Unterwasserwelt Leben ein. Kleine gelbe Fische schauen ganz skeptisch als blubbernde Gestalten an ihnen vorbeiziehen.

Tauchen hat etwas Magisches an sich. Dieses Schweben in der Schwerelosigkeit, einfach beeindruckend. Wenn da nicht diese stundenlange Vorbereitung wäre! Hecktisch laufen die in Neopren gepressten Männlein und Weiblein umher, auf der Suche nach den letzten Utensilien die sie fürs Tauchen brauchen. Flaschen werden endlose Wege hin und her geschleift, bis sie endlich ihren Platz auf dem Boot finden. Da zeigt sich doch ein deutlicher Vorteil von den Nichttauchern! Ausgesetzt, bei einem Tagesausflug auf einer einsamen, von Klippen umfassten Leuchtturminsel, bewaffne ich mich mit Flossen, Taucherbrille und Schnorchel und ziehe los auf eine Erkundungstour um den Inselrand. Das kühle Nass zeigt sich von seiner besten Seite und gibt die Sicht frei auf einen kleinen Octopuss, gefolgt von Seesternen, Seeigeln, Fischschwärmen…
Mittlerweile sitze ich unter einem grünen Blätterdach umrankt von Bäumen und ein kleiner Wasserfall plätschert ganz in meiner Nähe. Wir sind auf einer gemeinschaftlichen Wanderschaft in einem Nationalpark. Tal abwärts folgen wir dem Verlauf des Stromes auf einem Fußweg, den Eidechsen und Frösche mit uns teilen. Am Ende des Pfades genießen wir eine Abkühlung im Flussbett, wo sich ein riesiger, rauschender Wasserfall vor unseren Augen erstreckt. Unsere mutigen Jungs Alex, Severin, Patrick und Janosch springen von einer Brücke in das blaue Ungewisse. Ein Stein fällt mir vom Herzen, als sie es ohne Verletzungen wieder an die Wasseroberfläche schaffen. Ich habe mich schon gesehen, sitzend in einem stickigen, schwülen, nach Arzneimittel riechenden Krankenhaus an unserem letzten Urlaubstag. Am Abend vor unserer Abreise wird noch einmal das Gefühl der Gemeinschaft deutlich, dass ich die vergangenen Tage so genossen habe. Wir sitzen wieder zusammen an der großen Tafel mit Blick auf den Sonnenuntergang in der Bucht. Der Tisch, an dem wir so viele Stunden und Mahlzeiten gemeinsam verbracht haben und ziehen das Fazit der Reise. Es ist schön, dass wir Nichttaucher so in die Familie der Neoprenpinguine, wie sie so mit ihren Flossen umher watscheln, mit aufgenommen wurden. Danke dafür!

Updated: 8. August 2017 — 12:30